Stammzellen sind wahre Multitalente, deren Rolle im Organismus nicht final festgelegt ist. Sie haben die Fähigkeit, die unterschiedlichsten Funktionen zu übernehmen und erfüllen vor allem eine Aufgabe: Sie regenerieren. Und pflanzliche Stammzellen bieten neue Perspektiven für die Schönheitsindustrie.
Stammzellen können sich zu verschiedensten Zelltypen entwickeln. Beim Menschen sind embryonale Stammzellen die Vorläufer für alle Körperzellen. Doch auch als Erwachsene haben wir diese Alleskönner noch im Körper. In der Haut sind sie zum Beispiel dafür verantwortlich, dass sich neue Zellen bilden. Mit zunehmendem Alter nimmt die Stammzellenanzahl jedoch ab. Hier kommt die Pflege ins Spiel: Pflanzliche Stammzellen gelten als hochpotenter Beauty-Wirkstoff, der die Lebensdauer unserer hauteigenen Stammzellen signifikant erhöhen kann. Aber wie funktioniert das?
Selbstheilung in der Pflanzenwelt
Pflanzen besitzen eine außergewöhnliche Regenerationskraft. In der Natur sind sie einer Vielzahl an ökologischen Belastungen wie UV-Strahlung, Schwermetallen, Insekten und Mikroorganismen ausgesetzt. Sie aktivieren dann ihre Stammzellen, um sich gegen Schäden und freie Radikale zur Wehr zu setzen. Werden Pflanzen zum Beispiel verletzt, entsteht zunächst eine nicht differenzierte Abdeckung, die sich erst zu spezifischem Gewebe umwandelt, wenn die Verletzung mithilfe von Stammzellen vollständig geschlossen wurde. Erst dann bilden sich aus dem „Schnellverschluss“ zum Beispiel Rinde oder Sprossen. Neben der Pflanze selbst, sind auch in ihren Früchten hochwirksame Stammzellen enthalten. Sie sorgen dafür, dass beispielsweise bestimmte Apfelsorten besonders lagerfähig sind.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm
Der Unterschied zwischen Mensch und Pflanze ist deutlich geringer, als uns bewusst ist. Denn mit den Vertretern der Flora haben wir weit mehr gemein als beispielsweise mit Bakterien. Sterben unsere Stammzellen ab, ist Hautalterung ein unvermeidlicher Prozess. Vor allem Umweltgifte, Ozon und UV-Licht schädigen die Zellen. Pflanzliche Stammzellen können unser Hautgewebe wieder stärken, indem sie die hauteigenen Stammzellen schützen und sie in ihrer Widerstands- und Regenerationskraft unterstützen. Mit jeder Anwendung regen sie den Kollagenaufbau an, mindern Falten und erhalten die Festigkeit und Schönheit unserer Haut. Vor allem hoch antioxidative Phyto-Stammzellen aus besonders robusten, langlebigen Pflanzen mit regenerativen, stärkenden und entzündungshemmenden Eigenschaften scheinen dank ihrer Wirksamkeit mehr zu sein, als nur ein kurzlebiger kosmetischer Trend. Immer mehr Hersteller präsentieren deshalb mittlerweile Produkte mit einem ausgeklügelten Stammzellenkomplex zur Verjüngung, Erneuerung und Regeneration der Haut.
Wirksame Vielfalt
Die junge Marke ROSE AND ANN setzt gleich mehrere Sorten pflanzlicher Stammzellen in ihren Skin Effect Ölen ein. Klassische Apfelstammzellen regulieren beispielsweise Entzündungsprozesse, die für die Hautrötung verantwortlich sind und verbessern die Mikrozirkulation in den Zellen. Pflanzenstammzellen aus dem Hibiskus werden eingesetzt, um die hauteigenen Stoffwechselprozesse zu fördern, glätten und schützen effektiv vor Hautschäden. Der Stammzellenwirkstoff aus der Roten Weintraube erhält die Elastizität und Spannkraft der Haut und wirkt Irritationen entgegen. Stammzellen der Tuberose besitzen eine Detox-Funktion und festigen. Und die Stammzellen aus der Madonnen Lilie und der Weißen Narzisse hellen Farbveränderungen auf und beugen der Bildung von braunen Flecken vor. Die Wirksamkeit all dieser Rohstoffe wurde in klinischen Studien nachgewiesen, und sie werden in entsprechender Konzentration in den Endprodukten verwendet.
Für Anne Feulner, Gründerin von ROSE AND ANN sind Stammzellen die ideale Ergänzung zu ihrer Signature-Zutat, dem Wildrosenöl: „Unser Ziel in der Produktentwicklung war es, Wildrosenöl mit weiteren hochwertigen Wirkstoffen zu kombinieren und die positiven Eigenschaften zu verstärken. Schnell sind wir auf die botanischen Superkräfte der Pflanzenstammzellen gestoßen, die der Haut helfen, sich selbst zu regenerieren und zu schützen. Für das jeweilige Hautproblem haben wir die Pflanzenstammzellen sorgfältig ausgewählt.“ So sind insgesamt vier Rezepturen für ganz unterschiedliche Hautbedürfnisse entstanden.
Auch die lettische Dermokosmetik Marke LABRAINS hat Stammzellen für sich entdeckt und nutzt sie aus mehreren Gründen. Nachhaltigkeit ist einer davon: Die Extrakte werden biotechnologisch gewonnen. Das heißt die Zellen werden in Bioreaktoren gezüchtet – Wildpflanzen also nicht zerstört. Diese Methode ermöglicht es, einzigartige Extrakte aus zum Beispiel sogar geschützten Pflanzen zu gewinnen. Ein weiterer Vorteil ist die kontrollierte Wirksamkeit: Mit jeder Charge erhält LABRAINS so einen Extrakt von gleichbleibender Qualität, was bei wild wachsenden Pflanzen, die von klimatischen Bedingungen beeinflusst werden, nicht vorherzusagen ist. Die junge Marke aus Riga verwendet die Stammzellen des Wacholders als starkes Antioxidans, das vor städtischer Umweltverschmutzung schützt. Stammzellen vom Nordischen Drachenkopf beruhigen die Haut und reduzieren Pigmentflecken, während Moos-Stammzellen eine hautverjüngende und faltenreduzierende Wirkung haben.
Weitere Pflanzen, deren Stammzellen mittlerweile in (Natur-)Kosmetik zum Einsatz kommen, sind Edelweiß, Orchidee, Argan, Chili und sogar Radieschen.
Ökologie und Nachhaltigkeit
Der Jungbrunnen scheint gefunden. Manche bezeichnen die neue Technologie darüber hinaus als „Öko-Durchbruch“ in der Anti Aging Pflege. Denn es ist heute machbar, Stammzellen unter reinen Laborbedingungen zu kultivieren: Komplizierte Biotech-Prozesse ermöglichen die Auswahl und Reproduktion von Stammzellen, die eine bis zu 1.000-mal höhere Konzentration an Antioxidantien aufweisen, als sie in Pflanzen aus der Natur vorkommen. Und das ohne Nutzung von Erde, ohne genetische Veränderungen und ohne schädliche Einflüsse durch Schadstoffe wie Pestizide und Toxine. Die benötigten Moleküle können in größeren Mengen isoliert und weniger Pflanzen verwendet werden, um hochwirksame Inhaltsstoffe zu erhalten. Und: Es wird nicht die gesamte Pflanze benötigt – sie bleibt auch nach der Entnahme der Stammzellen am Leben. Auch der Wasserverbrauch reduziert sich bei dieser Gewinnung ellung auf ein Minimum. Die Laborkultur reduziert außerdem Treibhausgase und wertvolle Ackerböden bleiben nutzbar für den Anbau von Lebensmitteln anstelle von kosmetischen Inhaltsstoffen.
Fazit:
Es gibt durchaus gute Gründe, die für Produkte mit pflanzlichen Stammzellen sprechen. Gerade im Anti Aging Bereich weisen sie ein großes Wirkpotential auf. Darüber hinaus hat sich die Verfügbarkeit der begehrten Zutaten in den letzten Jahren stark vereinfacht, so dass sie mittlerweile nicht mehr nur in hochpreisigen Luxus-Cremes zu finden sind, sondern mitunter schon den Drogeriemarkt erobern. Bei einer Züchtung unter Laborbedingungen überwiegen die ökologischen Vorteile – was bleibt, ist der Wermutstropfen, dass die so gewonnenen Stammzellen nicht aus der freien Natur stammen und die Pflanzen nicht einmal mit Sonnenlicht in Berührung kamen. Beim Einsatz in echter Naturkosmetik erscheint Manchem das vielleicht als Widerspruch.