Duschen, Haare waschen, Deo, eincremen und vielleicht noch ein bisschen Schminke: So beginnt für die meisten deutschen Frauen der Tag. Doch was uns zunächst das gute Gefühl gibt, herrlich frisch und gepflegt zu sein, konfrontiert die Haut oft mit jeder Menge Chemie. Bis zu 300 Substanzen landen bei der Verwendung von Kosmetik jeden Morgen auf unserer Haut, schätzt Beauty-Expertin Rita Stiens. Grund genug, sich genauer damit zu befassen, denn einige Inhaltsstoffe sind mehr als bedenklich – und die versprochene Wirkung eines Produkts steht oft in überraschendem Widerspruch zu den Zutaten, die in der INCI-Liste aufgeführt werden. Der Ausweg heißt für immer mehr Menschen Naturkosmetik, doch auch damit wird oft Schindluder getrieben. „Die Wahrheit über Kosmetik“ hilft Ihnen, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Heiße Eisen und brandneue Facts
Was beim Blättern sofort angenehm auffällt, ist die Aktualität des Werkes. Bereits im ersten Kapitel geht es um die neue Kosmetikverordnung, die im Juli 2013 in Kraft getreten ist, und damit verbundene Themen wie z. B. die Deklarationspflicht von Nanoteilchen. Auch auf eine Studie des BUND, die im Sommer für Schlagzeilen sorgte, weil sie auf hormonell wirkende Stoffe in konventionellen Produkten hinwies, wird in diesem Buch schon eingegangen. Dabei nimmt Rita Stiens nie ein Blatt vor den Mund, sondern wirft kämpferische Fragen in den Raum – etwa, warum Problemstoffe wie der Mascara-Farbstoff Thriethanolamin, der krebserregende Nitrosamine bilden kann, eigentlich immer noch nicht verboten wurde. „Gesetzgebung und Kosmetikindustrie liefern sich seit Jahrzehnten ein Rennen, das dem Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel gleicht“, lautet ihr bitteres Fazit. „Der Igel, sprich die Kosmetikindustrie, ist und bleibt der Gewinner. Wenn der Gesetzgeber endlich reagiert, zum Beispiel bei gesundheitlich bedenklichen Rohstoffen, waren ihnen Verbraucher jahrelang ausgesetzt.“ Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als selbst aktiv zu werden.
Hier bleibt keine Frage offen
Obwohl das Buch nur zwölf Kapitel hat, schafft Rita Stiens es auf beeindruckende Art und Weise, wirklich alle wichtigen Themen, die zur Zeit die Beauty-Welt beschäftigen, anzusprechen. Produktkategorien wie Make-up, Haarfärbemittel, Sonnenschutz, Gesichts- und Körperpflege werden genauso behandelt wie Bio-Zertifizierungen oder der Begriff hypoallergen. Auch soziale Aspekte, etwa fairer Handel, Tierversuche oder die Umweltbelastung durch Mikroplastik in Peelings werden kurz angetippt. Den größten Raum nimmt allerdings das letzte Kapitel ein, das ein knapp 80-seitiges Lexikon mit mehr als 2.500 Inhaltsstoffen enthält, die mit ein paar Worten erklärt und anhand von Smileys in Schwarz oder Weiß anschaulich bewertet werden.
Fazit: Ein lesenswerter Wegweiser Marke Eigenbau
Rita Stiens ist eine renommierte Schönheits-Expertin, die sich seit 1998 durch ihre mutigen, kritischen Bücher einen Namen gemacht hat und auch auf ihrer Internetseite Kosmetik-Check regelmäßig Brisantes aus der Beauty-Branche unter die Lupe nimmt. Ihre Vorgänger-Werke sind inzwischen vergriffen und werden im Internet oft zu immens hohen Liebhaberpreisen gehandelt. Umso mehr überrascht es, dass dieser Ratgeber im Selbstverlag erschienen ist. Damit verbunden ist auch der einzige, kleine Kritikpunkt an diesem Buch: Man merkt ihm die Eigenregie manchmal ein wenig an – etwa, wenn es um vereinzelte Wortwiederholungen wie die im Titel oder den Schrifttyp der Kapitel-Headlines im Inhaltsverzeichnis geht, der an Schreibmaschine erinnert und daher etwas antiquiert daher kommt. Ein krasser Gegensatz zum Inhalt, der in jeder Hinsicht modern und topaktuell ist. Sicher kein Buch, das man in einem Rutsch weg liest. Aber ein wertvolles Nachschlagewerk, das Sie garantiert über Jahre hinweg immer wieder in die Hand nehmen werden.
Rita Stiens: „Die Wahrheit über Kosmetik. Der kritische Wegweiser durch den Kosmetik-Dschungel“, RS-Media Verlag, 332 Seiten, 17,95 Euro.