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SCIENCE WASHING

Wissenschaft überzeugt. Wenn Wirkung mit Nachweisen untermauert wird, mutieren bloße Marketingversprechen zu Wahrheit. Das gilt auch im Bereich Hautpflege. So ist es kaum verwunderlich, dass Clinical Skincare 2021 allein in den USA einen Anteil von 34 Prozent an den Verkäufen im Segment Luxuskosmetik ausgemacht hat. Aber wieviel davon basiert tatsächlich auf einem wissenschaftlichen Fundament – und was ist reines Science Washing?

Prolog: Dasselbe, nur nicht in Grün

Es ist ein wenig wie ein Backflash: Als die Naturkosmetik zum Wachstumsmarkt innerhalb der Beautybranche avancierte, wurden viele konventionelle Produkte vermeintlich grün. Man warb  plötzlich mit natürlichen Rohstoffen, obwohl sich maximal eine Handvoll davon in den Rezepturen befand, und die Basis nach wie vor auf Mineralöl basierte oder synthetisch konserviert wurde. Für Verbraucher kaum auszumachen, beteiligten sich naturnahe Marken am Wachstum und sogar chemisch basierte Rezepturen ließen sich mit ein paar Tropfen Öl oder einem Pflanzenextrakt als Bio Beauty deklarieren. Das Green Washing war geboren.

Im Dienste der Wissenschaft?

Wie bei allen erfolgreichen Konzepten besteht die Gefahr von (schlechter) Nachahmung – und jeder möchte gern ein Stück vom Kuchen abhaben. Notfalls eben mit unlauteren Mitteln. Beim Science Washing reichen die Möglichkeiten von Versprechen, die über tatsächliche Nachweise hinausgehen, von Erklärungen, welche die Wissenschaft gar nicht liefern kann, bis hin zu nur scheinbar fundierten Aussagen, deren Inhalt nicht kritisch hinterfragt wird. Auch beliebt: Die Expertise von Persönlichkeiten, gern mit Doktortitel, deren Fachgebiet völlig außerhalb der umworbenen Thematik liegt. Und der Einsatz technischer Floskeln, die ebenfalls wenig bis gar nichts mit dem eigentlichen Kontext zu tun haben. Science Washing treibt vielfältige Blüten – denn seine Wirkung als Kaufanreiz ist ja praktisch „wissenschaftlich erwiesen“…

Aussagekräftig?

Apropos wissenschaftlich erwiesen: Auch wenn diese vage Wirkaussage stimmen mag, macht sie die Wirkintensität längst nicht transparent und kann zudem von minimal sichtbaren Ergebnissen bis zu deutlicher Verbesserung reichen. Und die Höhe des Maßes ist im Grunde ja auch völlig subjektiv. Einen echten Maßstab gibt es nicht, und somit bleibt viel Raum für Interpretation. Damit sind die Spiele praktisch eröffnet.

Oberflächliche Verlockungen

Das Erzielen von Aufmerksamkeit ist im Marketing fundamental. Ohne dass sich eine Botschaft unter hunderten abhebt, wird sie gar nicht erst wahrgenommen. In Zeiten von Social Media, wo ein Post oder Video nur Sekundenbruchteile hat, um uns zum Verweilen zu bewegen, sind click-baiting Headlines fast unumgänglich. Und in einem 15 bis 30 Sekunden Reel lassen sich Halbwahrheiten schnell verkaufen. Selbst mit einem Basis-Verständnis für kosmetische Inhaltsstoffe, kann kaum jemand hier Science-Washing auf den ersten Blick erkennen. Vor allem jene User, die sich vermeintlich mit INCIS auskennen, tappen bei cleveren Claims gern in die Falle: Zum Beispiel, wenn bewährte Hautpflege-Zutaten plötzlich in der Haarpflege gehighlighted werden, wo sie lediglich als pH-Wert-Regler fungieren – so zum Beispiel Vitamin C. Sehr beliebt ist zudem, aus Studienergebnissen nur jene Aussagen herauszupicken, die für vermeintliche Käufer die Kirsche auf der Sahnetorte darstellen. So gering deren Effekt auch sein mag. In den meisten Fällen sollte uns ohnehin klar sein, dass kosmetische Produkte keine pharmazeutischen Erzeugnisse sind. Es gibt Limits für ihr Leistungsspektrum.

Experten, die keine sind

Ein kurzer Exkurs: Im August 2022 wurden deutsche Schüler befragt, welche Informationsquellen sie für glaubwürdig halten. Auf Rang 1, noch vor ihren Lehrern, rangierte Youtube(!). Auch wenn es hier keine unmittelbare Korrelation zu Kosmetiknutzern gibt und die befragte Personengruppe relativ jung war, zeichnet sich eine wachsende Problematik in unserer Gesellschaft ab: Praktisch jeder hat die Möglichkeit, über das Internet Informationen zu streuen und jeder kann diese empfangen. Im Grunde ungefiltert. Jeder kann sich ohne fachlichen Background als vermeintlicher, selbst ernannter Experte aufstellen. Mit der Nutzung akademischer Titel verhält es sich ähnlich: Wir verbinden damit automatisch ein hohes Level an Know-how. Doctor-Brands, die diese Bezeichnung nur im Namen tragen, erzeugen damit eine glaubhafte Wirkung. Ebenso verhält es sich mit Personen, die einen Arzt-Titel aus einem völlig anderem Fachbereich tragen. Kompetenz in Sachen Hautpflege garantiert beides nicht…

Vorsicht bei Trendwirkstoffen

Gerade in Verbindung mit Trends und gehypten Beauty-Essentials besteht oft die Gefahr, dass Zutaten völlig unabhängig von ihrer Verwendung regelrecht vergöttert werden. So gelangen Rohstoffe fast schon zwanghaft in Rezepture, die auch ohne das neue Zaubermittel funktioniert hätten (oder eben genau so wenig). Oder es werden unter Zeitdruck Formulierungen ins Leben gerufen, die nicht wirklich ausgereift sind. Die Folge: Der Markt füllt sich mit Produkten, die sich kaum unterscheiden, oder die mittels Name-Dropping auf einer Trendwelle mitschwimmen.

Hier spielen Hersteller auch gern das Kategorien-Ass aus: Rohstoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften werden als Vertreter derselben Stoffgruppe unter einen Hut gesteckt. Geworben wird so zum Beispiel mit einem hohen Gehalt an Retinoiden, während dem Käufer der Unterschied zwischen beispielsweise Tretinoin und Retinalaldehyd gar nicht bewusst ist. Ein vergleichsweise mildes Derivat wird so als extra wirksam verkauft. Andersherum wird vermittelt, dass ein hoher Anteil bestimmter Stoffe besonders wirksam sei – obwohl eine hohe Konzentration gleichzeitig auch ein erhöhtes Potential für Irritationen bedeuten kann. Der bloße Einsatz einer Zutat oder eine alleinstehende Zahl geben leider noch keinen verlässlichen Anhaltspunkt, ob ein verwendeter Rohstoff wirksam ist oder nicht – und auch nicht, ob er ein guter oder schlechter Kandidat im jeweiligen Kontext ist.

Fazit

Wissenschaft hat Grenzen und funktioniert nur da, wo sie spezifisch und relevant ist. Bevor man zum neuen Super-Serum m Regal greift, dass 80 Prozent der Mimikfalten in nur 30 Tagen verschwinden lässt, lohnt ein Blick ins Kleingedruckte. Was verbirgt sich hinter den Sternchen? Welche Studien wurden konkret über welchen Zeitraum und mit welcher Anzahl von Probanden durchgeführt? Bezieht sich die angegebene Zahl auf eine Wirkstoffstudie? Und wurde eben dieser Wirkstoff im Produkt auch in derselben Konzentration eingesetzt wie in der Studie? Die detaillierten Antworten liefert kein Verpackungsaufdruck und auch kein Beipackzettel, sondern kann in den meisten Fällen nur beim Hersteller erfragt werden. Inwiefern sich dieser allerdings in die Karten schauen lässt, ist fraglich. Aus Verbrauchersicht wäre die Veröffentlichung von Wirkstoffanteilen und Wirksamkeitsstudien wünschenswert. Wobei selbst dann das Thema immer erklärungsbedürftig bliebe. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass die Zeiten „geheimer Wirkkomplexe“ immerhin der Vergangenheit angehören und uns heute Informationen zur grundsätzlichen Zusammensetzung von Formulierungen vorliegen. Und immerhin: Der Trend zu Clinical Skincare oder Science Beauty führt mit all seinen Nebeneffekten zu einem Anstieg der Transparenz. Ein erster Schritt, Informationen zur Wirksamkeit mit Konsumenten zu teilen, ist also getan.

Es geht auch anders

Unser Beitrag mag einen negativen Beigeschmack haben, was das Vertrauen in Science Beauty betrifft. Dabei soll er Euch Wirkstoffpflege keinesfalls vermiesen – ganz im Gegenteil. Er soll Euch ermutigen, näher hinzuschauen, zu hinterfragen und auch mal hinter die Kulissen zu blicken. Es gibt natürlich auch positive Beispiele, wie wir Euch anhand von oceanwell gern aufzeigen möchten:

Die oceanBASIS GmbH ist, zusammen mit ihrem Schwesterunternehmen Coastal Research & Management (CRM) und renommierten Meeresforschungsinstitutionen seit vielen Jahren in der angewandten Meeresforschung tätig. Bereits im Jahr 2000 haben sie die erste Algenfarm Deutschlands in der Kieler Förde etabliert. Aus wissenschaftlicher Forschung entstand dann die Idee, Meereswirkstoffe und insbesondere Algen auch für den Menschen nutzbar zu machen. Und das in wirksamer Form, wie Dr. Inez Linke, Managing Director der oceanBASIS GmbH verrät: „Unsere Produkte enthalten einen hohen Meeresalgen-Extraktanteil von 5 % bis zu 36 %. Auch der Anteil an natürlichem  Meerwasser ist sehr groß – bis zu 50 %. In unseren verschiedenen Forschungsprojekten gelangen  wir an viele spannende Ergebnisse über die Wirksamkeit von einzelnen Algeninhaltsstoffen, die das große Potential für die Zukunft zeigen. Darüber hinaus haben wir an fertigen Oceanwell-Produkten auch Dermateststudien durchführen lassen.“

Algen-Wirkstoffe stehen dabei im Zentrum der langjährigen Forschungstätigkeiten und sind ein wahres Wirkstoffwunder für die Haut: Sie speichern in hochkonzentrierter Form Mineralien und Spurenelemente aus dem Meer: „1 Kilogramm Algen können Wirkstoffe aus bis zu 10.000 l Meerwasser enthalten“, erklärt Inez Linke. „Hinzu kommen spezielle Algenzucker, Aminosäuren mit UV-Schutz, Vitamine und Polyphenole.“  Und das ist noch nicht alles: “Meereskosmetik hebt sich innerhalb der Naturkosmetik hervor, da die Inhaltsstoffe durch den evolutionären Vorsprung der Meerespflanzen komplexer an Stressfaktoren angepasst sind als die der Landpflanzen. Extrem wirksame Feuchtigkeitsbinder, die die Austrocknung der Algen bei Ebbe verhindern, sorgen auch in der Kosmetik dafür, dass die Haut länger Feuchtigkeit speichern kann. Darüber hinaus sind die Mineralstoffzusammensetzung des Meerwassers und die des menschlichen Blutserums nahezu identisch. Die im Meerwasser enthaltenen Mineralstoffe und Spurenelemente werden von den Algen organisch gebunden und können in dieser Form gut von unserer Haut aufgenommen werden. Äußere und innere Anwendungen mit Algen besitzen daher eine besonders hohe Wirksamkeit“, führt Inez Linke begeistert fort.

Kein Wunder also, das man nach typischen Trendwirkstoffen bei oceanwell vergeblich sucht: „Frei nach dem Motto ‚Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile‘ bleiben wir unserem Grundsatz treu, unseren Algen-Extrakt mit seinem Wirkstoff-Strauß als Basis-Wirkstoff in unseren Produkten einzusetzen.  Viele Trend-Zutaten versprechen Wirkungen, die unser Meeresalgen-Extrakt längst kann. Natürlich sind wir neuen Entwicklungen gegenüber auch offen und sind zudem in stetem Kontakt mit unseren Kundinnen und Kunden, um deren Wünsche in neue Produktentwicklungen miteinzubinden“, versichert Inez Linke. So funktioniert Wissenschaft ganz unverwaschen.

Epilog: Die Sache mit der Romantik

Ein Aspekt, der nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Science Washing steht, ist das Storytelling: Das Erzählen einer Geschichte von Helden, Blumen und ewiger Schönheit, die ganz tief in uns ganz spezielle Bedürfnisse weckt. Wir WOLLEN diese Erzählungen, und dass Marketing uns faszinierende Bilder malt, denn Kosmetik hat ja auch etwas sehr Emotionales. Neben wissenschaftlichen Fakten, die unser Großhirn unmittelbar ansprechen und im Idealfall sowohl korrekt, als auch zu verarbeiten sind, wünscht sich unsere Seele Streicheleinheiten - eine imaginäre Verpackung in Wort und Bild. Fundierte Aussagen reichen in den meisten Fällen also gar nicht, um uns von einem Produkt zu überzeugen. So ist auch abseits von Science Washing ein Beauty Business ohne Stories beinahe unmöglich.